Konflikt in der Literatur: Narrative Zumutung wenn es nur noch „cozy“ ist?

Konflikt in der Literatur - Narrative Zumutung wenn es nur noch cozy ist

Aktuell scheint der Konflikt in der Literatur auf dem Rückzug zu sein. Statt tiefgreifender Brüche, innerer Widersprüche oder existenzieller Entscheidungen begegnet uns zunehmend ein wohltemperierter Erlebnisteppich. Der Trend zur „Cosy-Literatur“ ist unübersehbar – und trifft auf ein Publikum, das Trost sucht, nicht Herausforderung. Aber was heißt das für das literarische Schreiben? Und: Darf man als Autor:in überhaupt noch Zumutungen wagen?

Von der Heldenreise zur Fensterbankszene

Die klassische Erzählstruktur – Aufbruch, Krise, Wandlung, Heimkehr – lebt vom Konflikt. Erst das Durchschreiten von Schmerz, Ambivalenz oder Gefahr macht den inneren Wandel glaubhaft. Doch heute begegnet uns häufig ein anderes Muster: Die Heldin sitzt mit Teetasse am Fenster, draußen Regen, drinnen Selbstfindung, Liebeswirren und am Ende ein gutes Gefühl. Es ist die Ästhetik des sanften Trosts – erzählerisch weichgezeichnet, emotional sicher.

Warum Konflikte (nicht) verschwinden

Der Wunsch nach „cosy“ ist verständlich. In einer Zeit permanenter Nachrichtenflut, sozialer Unsicherheit und globaler Krisen erscheint das Erzählen ohne Abgrund wie eine Form der Selbstfürsorge. Aber genau darin liegt die Gefahr: Wenn Literatur nur noch beruhigt, verliert sie ihre Kraft zur Veränderung. Wer nur die Oberfläche poliert, führt seine Leser:innen ins Wartezimmer – nicht in den Erfahrungsraum.

Gegenentwurf: Durch die Nacht zum Licht

Gute Literatur mutet zu. Sie führt durch Ungewissheit, Reibung, Dunkelheit – nicht darum herum. Der Konflikt ist dabei kein Selbstzweck, sondern Voraussetzung für narrative Wahrheit. Nur wo Widerspruch herrscht, kann Erkenntnis entstehen. Und nur, wer den Abgrund zumindest berührt, kann überhaupt glaubwürdigen Trost anbieten.

Cosy ist nicht gleich belanglos

Trotzdem gilt: Cosy ist nicht gleichbedeutend mit konfliktfrei. Manchmal liegt der Kern einer Geschichte gerade in den kleinen, inneren Kämpfen: Zugehörigkeit, Verlust, Orientierung. Diese Konflikte sind oft emotional zugänglicher als große dramaturgische Krisen. Vielleicht brauchen wir sie gerade deshalb – weil sie näher an unserem Leben sind.

Fazit: Nicht weichzeichnen, sondern vertiefen

Literatur darf wohltuend sein – aber nicht flach. Wer schreibt, muss nicht immer den Weltuntergang inszenieren. Aber er oder sie sollte bereit sein, durch Dunkelheit zu führen, wenn das Licht glaubhaft scheinen soll. Nicht jedes Buch muss ein Abgrund sein. Aber ohne Reibung wird es selten Erkenntnis geben.

Weitere Informationen zum Thema „Konflikt in der Literatur“

Hier ein Link zur Konfliktdarstellung und Argumentation in literarischen Texten

The Dark Reality Behind ‚Cozy Mysteries‘ (The Atlantic)

Vielleicht kann der Einsatz von KI im Schreibprozess hier unterstützen?

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