Wie alles begann … und was daraus wurde

1979. Realschule. Matheunterricht in der fünften Klasse. Thema: Rechengesetze. Assoziativ- und Kommutativgesetz. Aber mein Freund Davor und ich hatten andere Pläne. Während die Tafel mit Zahlen gefüllt wurde, füllten wir heimlich ein DIN-A5-Schulheft mit Geschichten über blutrünstige Vampire. Dunkelblau, Leinetal, 80 g, holzfrei, liniertes Papier. Wir waren Schriftsteller. Oder fühlten uns zumindest so. Nicht wirklich erfolgreich, aber Schreibbuddies im besten Sinne. Einer fing an, der andere machte weiter. Das Beste war immer der letzte Absatz, den mein Partner geschrieben hatte, auf den ich mit klopfendem Herzen wartete. Was war passiert? Hat er etwas Unerwartetes eingebaut (heute würde man Plot-Twist sagen)?

Tom Glasauer

Fast vierzig Jahre später hielt ich mein erstes eigenes Buch in den Händen. Kein Bestseller, aber da stand mein Name zwischen zwei Buchdeckeln, bei einem echten Verlag veröffentlicht. Ich war Autor. Offiziell. Endlich.

Heute schreibe ich noch immer, doch ist vieles anders. Meine neuen Schreibbuddies heißen ChatGPT und Claude. Ich weiß, ich weiß: „Du bist doch kein echter Autor!“ höre ich oft. Aber ehrlich gesagt: Ich sehe mich heute weniger als Einzelkämpfer mit Word-Dokument und blinkendem Cursor. Ich sehe mich als Dirigent eines kreativen Orchesters. Ich bringe Ideen, Struktur, Ton. Ich leite, kombiniere, verwerfe, forme. Und das Ergebnis trägt meine Handschrift, auch wenn ich nicht jedes Instrument allein gespielt habe.

Es ist dieser Prozess, der mich erfüllt. Dieses Spiel mit Worten, Wendungen, Bildern. Es ist dieselbe Neugier wie damals, wenn Davor mir das Heft zurückreichte. Wie wurde die Geschichte weitergesponnen? Welcher Twist wartet auf mich?

Heute bin ich eigentlich immer noch dieser Junge aus der fünften Klasse. Nur mit etwas mehr Erfahrung, keinem DIN-A5-Schulheft … und einer ungebrochenen Freude am Erzählen.

Das wünsche ich euch. Freude am Lesen und vielleicht auch am Erzählen.

Tom Glasauer