In der Welt des kreativen Schreibens verläuft derzeit eine spannende Diskussion zum Thema Autorschaft und KI: Auf der einen Seite stehen Autor*innen, die KI als wertvolles Werkzeug begreifen – auf der anderen jene, die sich entschieden dagegenstellen. In sozialen Medien erlebe ich oft einen extremen Standpunkt: Wer mit KI schreibt, schreibt nicht „echt“. Doch ist diese Sichtweise nicht etwas zu kurz gedacht?
„KI ist nicht kreativ“
Ein häufiges Argument lautet: „KI ist nicht kreativ. Sie versteht keine Gefühle, sie hat keine Intuition.“ Das stimmt – zumindest auf technischer Ebene. Aber wenn man genauer hinsieht, wird klar: Kreativität zeigt sich nicht nur im Inneren, sondern auch im Spiel mit Sprache, Struktur und Bedeutung. Und genau hier kann KI erstaunlich gut mitwirken.
Besonders spannend sind die sogenannten „Halluzinationen“, also die manchmal absurden, überraschenden oder unlogischen Vorschläge, die KI beim Schreiben macht. Was in einem journalistischen Text als Fehler gelten würde, kann in einem Roman oder Gedicht neue Türen öffnen. Wer sagt denn, dass Inspiration immer logisch oder bewusst abläuft?
Kreatives Schreiben lebt vom Unvorhersehbaren – und genau das bringt KI manchmal ein. Nicht aus Absicht, sondern durch scheinbar „unvollkommene“ Rechenlogik. Aber – für ich – zählt das Ergebnis. Und super spannend finde ich den kreativen Dialog zwischen Mensch und Maschine.
KI als Werkzeug, nicht als Ersatz
KI ist kein Ersatz für Talent, Erfahrung oder Stil. Wer hier keine Skills hat, kann auch mit den Ergebnissen der KI keine guten Texte abliefern. Aber sie kann ein nützliches Werkzeug sein – wie ein Notizbuch, ein Thesaurus oder ein Schreibcoaching. Sie hilft beim Strukturieren, Formulieren, Nachdenken. Und manchmal überrascht sie mich mit einem unerwarteten Impuls, den man so selbst nicht gefunden hätte (besonders mit Temperature=2).
Viele, die mit KI arbeiten, tun das nicht, um weniger zu schreiben – sondern um besser zu schreiben. Der kreative Prozess wird nicht ausgelagert, sondern erweitert. Ein erster Entwurf entsteht vielleicht mit KI-Hilfe, aber der Feinschliff, die Tonalität, die Substanz – das bleibt menschlich.
Und sind wir ehrlich: Wer schreibt denn heute noch völlig allein? Autor*innen recherchieren online, tauschen sich in Schreibgruppen aus, nutzen Tools für Stil-Checks. KI ist nur das nächste Glied in dieser Entwicklung.
Co-Creation: Gemeinsam mit der KI denken
Immer mehr Autor*innen experimentieren damit, KI bewusst in ihren kreativen Prozess einzubinden. Manche lassen sich beim Brainstorming unterstützen, andere nutzen KI, um Perspektiven zu wechseln oder Sprachstile zu testen.
Ein gutes Beispiel: Vauhini Vara, die eine sehr persönliche Geschichte über den Tod ihres Bruders mit Hilfe einer KI schrieb. Nicht, weil sie es nicht selbst konnte – sondern weil sie sehen wollte, was entsteht, wenn eine Maschine versucht, das Unaussprechliche (in Worte) zu fassen. Das Ergebnis war ungewöhnlich, manchmal irritierend, aber vor allem berührend.
KI zwingt uns, Stellung zu beziehen. Sie ist wie ein kreatives Gegenüber, das nicht wertet, sondern vorschlägt. Und gerade das kann uns helfen, neue Wege zu gehen.
Transparenz: Ja – aber bitte mit Maß
Natürlich wirft der Einsatz von KI Fragen auf. Und natürlich ist Transparenz wichtig. Wer offenlegt, wo und wie KI zum Einsatz kam, schafft Vertrauen. Leser*innen sollen einschätzen können, was sie lesen – und wie es entstanden ist.
Aber wo beginnt die Grenze? Reicht es, wenn ich mir per KI zehn Titelvorschläge holen lasse? Muss ich kennzeichnen, wenn ich eine Gliederung mit ChatGPT entwickelt habe? Oder erst, wenn ein Kapitel fast vollständig von der KI formuliert wurde?
Vielleicht geht es gar nicht um starre Regeln, sondern um ein Bewusstsein: Wenn KI einen substanziellen Teil des Textes beigesteuert hat – warum nicht ehrlich sagen? Das schafft Klarheit, ohne die kreative Freiheit einzuschränken.
Verantwortung bleibt beim Menschen
Was auch immer die KI liefert – entscheiden, was gut, sinnvoll oder vertretbar ist, muss immer der Mensch. Gerade in Zeiten von Fake News und Deepfakes ist es entscheidend, dass Autor*innen Verantwortung für ihre Inhalte übernehmen.
Das schafft Vertrauen.
Ein verantwortungsvoller Umgang mit KI bedeutet: Texte prüfen, Aussagen reflektieren, eigene Werte einfließen lassen. Die Technologie darf uns helfen, aber sie soll uns nicht ersetzen – und schon gar nicht entlasten von ethischer Verantwortung.
Autorschaft und KI – Fazit: Ein richtiger Autor nutzt, was ihm dient – und bleibt dabei ganz er selbst
Vielleicht ist es an der Zeit, mit einem Missverständnis aufzuräumen: Nicht der Verzicht auf KI macht jemanden zum „echten“ Autor – sondern die Art, wie jemand schreibt, entscheidet über die Qualität.
KI verändert unseren Schreibprozess – keine Frage. Aber sie nimmt uns nicht das Denken, das Fühlen, das Entscheiden ab. Das bleibt unser ureigenes Terrain.
Wer heute mit KI schreibt, ist nicht weniger kreativ, nicht weniger authentisch, nicht weniger Autor*in. Sondern jemand, der mutig neue Werkzeuge einsetzt – mit klarem Kopf und eigener Stimme.
Denn am Ende zählt nicht, wie ein Text entstanden ist. Sondern was er auslöst.
Links
Generative KI und Autorschaft – Stadtbibliothek Erlangen
Künstliche Intelligenz für kreatives Schreiben – Die Schwedin
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